Zur Einschätzung, inwiefern der Mindestlohn Auswirkungen auf den Wettbewerb hat, ist unter anderem das Ausmaß der betrieblichen Betroffenheit vom Mindestlohn relevant, d. h. in wie vielen der Betriebe arbeitete mindestens ein Beschäftigter mit einem geringeren Stundenverdienst. Das Ausmaß der betrieblichen Betroffenheit variiert je nach Datensatz und Abgrenzung. Insbesondere die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 sowie dessen Anhebung auf 12 Euro im Oktober 2022 betrafen mit Werten zwischen 12 und 37 Prozent für die Einführung und zwischen 23 und 57,5 Prozent für die Anhebung auf 12 Euro einen hohen Anteil der Betriebe in Deutschland.
Trotz unterschiedlicher Niveaus der Betroffenheit zeigen unterschiedliche Datensätze ähnliche Muster. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind Betriebe in Ostdeutschland sowie im Dienstleistungsbereich. Insbesondere kleine Betriebe weisen einen hohen Anteil von Mindestlohnbeschäftigten auf. Mit steigender Betriebsgröße sinkt der Anteil betroffener Betriebe. Zudem sind tarifgebundene Betriebe mit einem Firmen- oder Branchentarifvertrag vergleichsweise selten vom Mindestlohn betroffen.
Mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme hat der gesetzliche Mindestlohn nur eine begrenzte Wirkung. Schätzungen des Statistischen Bundesamtes gehen unter der Annahme, dass alle anspruchsberechtigten Beschäftigten den Mindestlohn erhalten und sich keine Veränderungen bei der Arbeitszeit ergeben, von einem Anstieg der monatlichen Lohnsumme um rund 0,34 Prozent infolge der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro und um rund 0,07 Prozent bzw. 0,05 Prozent für die Mindestlohnanhebung auf 12,41 Euro im Jahr 2024 sowie auf 12,82 Euro im Jahr 2025 aus. In absoluten Zahlen bedeutete das einen Anstieg der monatlichen gesamtwirtschaftlichen Lohnsumme um 480 Mio. Euro infolge der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro sowie um 103 Mio. Euro und um 81 Mio. Euro für die Anhebungen auf 12,41 Euro bzw. 12,82 Euro.
Demgegenüber zeigt sich in Analysen hinsichtlich der Bedeutung des Mindestlohns für betroffene Betriebe eine Zunahme der Lohnsumme je beschäftigter Person um rund 3 Prozent als unmittelbare Folge der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro.
Gesamtwirtschaftlich zeigen die statistischen Daten für den Zeitraum nach der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro im Oktober 2022 keine eindeutigen Effekte auf die Gewinnsituation der Betriebe. Kausale Untersuchungen, die den Effekt des Mindestlohns von anderen Einflussfaktoren auf die Unternehmensgewinne trennen, zeigen für die Jahre 2022 und 2023 keinen mindestlohnbedingten negativen Effekt auf die Gewinnsituation der Betriebe. Für das Jahr 2024 liegen noch keine kausalen Untersuchungen vor. Die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 führte bei betroffenen Betrieben zu einem Rückgang der Gewinne. Im Zeitraum der Jahre 2015 bis 2019 fiel der Gewinn bei vom Mindestlohn betroffenen Betrieben bis zu 9 Prozent pro Jahr geringer aus als bei nicht betroffenen Betrieben. Dieser Effekt war insbesondere auf Betriebe in Ostdeutschland sowie auf Betriebe, die unter einem hohen Wettbewerbsdruck standen, zurückzuführen.
Entwicklung der Unternehmensgewinne
Betriebe haben auf die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro mit verschiedenen Anpassungsmaßnahmen reagiert. Nach weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen mehrerer Betriebsbefragungen stellt die Erhöhung der Preise von Produkten und Dienstleistungen die häufigste betriebliche Anpassungsmaßnahme auf die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro dar. In ostdeutschen Betrieben war dies häufiger der Fall als in Betrieben in Westdeutschland. Des Weiteren berichteten Betriebe von Zurückhaltungen bei Investitionen, verminderter Bereitschaft Personen einzustellen, der Reduzierung von Arbeitszeit sowie in geringem Umfang von Entlassungen.
Betriebliche Reaktionen infolge der Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro
Die Verbraucherpreise stiegen in den Jahren 2022 bis 2024 stark an. Dies war vor allem auf die Preiserhöhungen für Energie und Nahrungsmittel infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen. Gemäß einer Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission hat der Mindestlohn ursächlich dazu geführt, dass der Verbraucherpreisindex in den 12 Monaten nach der Mindestlohneinführung im Januar 2015 und in den 12 Monaten nach der Mindestlohnerhöhung im Oktober 2022 höher gewesen ist als im gegenteiligen Fall, in dem der Mindestlohn nicht eingeführt und nicht erhöht worden wäre. Dabei wurden die größten Preissteigerungen in den Produktgruppen "Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke" und "Gaststätten- und Beherbergungsdienste" festgestellt.
Befunde aus Betriebsbefragungen im Auftrag der MLK weisen darauf hin, dass die Wettbewerbsbedingungen für die Betriebe transparenter geworden sind, da nun Wettbewerbsvorteile durch Lohnunterschiede bei den Einstiegslöhnen nicht mehr zu erzielen sind. Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter berichten, dass aufgrund der Einführung des Mindestlohns Betriebe mit einem Wettbewerbsmodell, das auf sehr niedrigen Löhnen basierte, aus dem Markt ausgeschieden seien.
Zugleich gibt es Betriebe, die aufgrund des Mindestlohns einen gestiegenen Wettbewerbsdruck wahrnehmen. Diesen führen die Befragten unter anderem auf sinkende Gewinnmargen und höhere Personalkosten zurück. Insbesondere kleine und mittelgroße Betriebe beklagen eine Verzerrung des Wettbewerbs zugunsten von Großbetrieben und Handelsketten.