Wettbewerb

Insbesondere die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 sowie dessen Anhebung auf 12 Euro im Oktober 2022 betrafen mit Werten zwischen 12 Prozent bis 37 Prozent für die Einführung und zwischen 23 Prozent und 57,5 Prozent für die Anhebung auf 12 Euro einen hohen Anteil der Betriebe in Deutschland. Das genaue Ausmaß der betrieblichen Betroffenheit vom gesetzlichen Mindestlohn variiert je nach Datensatz und Abgrenzung. Trotz unterschiedlicher Niveaus zeigen die Datensätze ähnliche Muster. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind Betriebe in Ostdeutschland sowie im Dienstleistungsbereich. Insbesondere kleine Betriebe weisen einen hohen Anteil von Mindestlohnbeschäftigten auf. Mit steigender Betriebsgröße sinkt der Anteil betroffener Betriebe. Zudem sind insbesondere Betriebe ohne Bindung an einen Tarifvertrag vergleichsweise häufig vom Mindestlohn betroffen.

Veränderung der Arbeitskosten je Arbeitsstunde

Das Säulendiagramm zeigt die jährliche Veränderung der Arbeitskosten in Prozent von 2014 bis 2024. Zwischen 2014 und 2020 liegt der Anstieg meist zwischen 2 % und 3 %. 2021 sinkt der Zuwachs deutlich, 2022 erreicht er mit 5,5 % den Höchstwert. In den Jahren danach bleibt das Niveau erhöht. Quelle: Statistisches Bundesamt, Arbeitskostenindex


Der gesetzliche Mindestlohn hat nur einen begrenzten Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme. Schätzungen des Statistischen Bundesamtes gehen unter der Annahme, dass alle anspruchsberechtigten Beschäftigten den Mindestlohn erhalten und sich keine Veränderungen bei der Arbeitszeit ergeben, von einem Anstieg der monatlichen Lohnsumme um rund 0,34 Prozent infolge der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro und um rund 0,07 Prozent bzw. 0,05 Prozent für die Mindestlohnanhebung auf 12,41 Euro im Jahr 2024 und auf 12,82 Euro im Jahr 2025 aus. Die Bedeutung des Mindestlohns für die Gesamtwirtschaft unterscheidet sich von der Bedeutung für vom Mindestlohn betroffene Betriebe. Für diese Betriebe zeigen Kausalanalysen eine Zunahme der Lohnsumme je Beschäftigten durch die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro um rund 3 Prozent.

Betriebe haben auf die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro mit verschiedenen Anpassungsmaßnahmen reagiert. Nach weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen von mehreren Betriebsbefragungen stellt die Erhöhung der Preise von Produkten und Dienstleistungen die häufigste betriebliche Anpassungsmaßnahme auf die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro dar. In ostdeutschen Betrieben war dies häufiger der Fall als in Betrieben in Westdeutschland. Des Weiteren berichteten Betriebe von Zurückhaltungen bei Investitionen, verminderter Einstellungsbereitschaft, der Reduzierung von Arbeitszeit sowie in geringem Umfang von Entlassungen.

Die Verbraucherpreise stiegen in den Jahren 2022 bis 2024 stark an. Dies war vor allem auf die Preiserhöhungen für Energie und Nahrungsmittel infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen. Gemäß einer Kausalstudie zu den Auswirkungen der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns sowie der folgenden Erhöhungen bis ins Jahr 2024 hat der Mindestlohn dazu geführt, dass der Verbraucherpreisindex in den 12 Monaten nach der Mindestlohneinführung im Januar 2015 und in den 12 Monaten nach der Mindestlohnerhöhung im Oktober 2022 höher gewesen ist als im hypothetischen Fall einer Nichteinführung bzw. einer Nichterhöhung des Mindestlohns. Die größten Preissteigerungen wurden in dieser Studie in den Produktgruppen „Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke“ und „Gaststätten- und Beherbergungsdienste“.

Die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro im Oktober 2022 hatte weder im Jahr 2022 noch im Jahr 2023 einen negativen Effekt auf die Gewinnsituation der Betriebe. Die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 führte dagegen bei betroffenen Betrieben zu einem Rückgang der Gewinne. Im Zeitraum der Jahre 2015 bis 2019 fiel der Gewinn bei vom Mindestlohn betroffenen Betrieben bis zu 9 Prozent pro Jahr geringer aus als bei nicht betroffenen Betrieben. Dieser Effekt war insbesondere auf Betriebe in Ostdeutschland sowie auf Betriebe, die unter einem hohen Wettbewerbsdruck standen, zurückzuführen. Für die anderen, in ihrer Höhe geringeren Mindestlohnerhöhungen der Jahre 2017 bis 2021 waren keine Auswirkungen feststellbar.

Entwicklung der Unternehmensgewinne

Das Säulendiagramm zeigt die jährliche prozentuale Veränderung der Unternehmensgewinne von 2014 bis 2024. Dargestellt sind Werte für die gesamte Volkswirtschaft und für nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften. 2020 sinken die Gewinne deutlich, 2021 folgt ein starker Anstieg. Ab 2022 bleiben die Veränderungen moderat. Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen

Qualitative Forschungsbefunde weisen darauf hin, dass sich der Preiswettbewerb seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum Teil vermindert habe und die Wettbewerbsbedingungen für die Betriebe transparenter geworden seien, da sie nun keine Wettbewerbsvorteile durch Lohnunterschiede erzielen können. Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter berichten, dass aufgrund der Einführung des Mindestlohns ein Wettbewerb mittels sehr niedriger Löhne nicht mehr möglich sei und Betriebe mit einem entsprechenden Wettbewerbsmodell aus dem Markt ausgeschieden seien. Zugleich gibt es Betriebe, die aufgrund des Mindestlohns einen gestiegenen Wettbewerbsdruck wahrnehmen, der unter anderem auf sinkende Gewinnmargen und höhere Personalkosten zurückgeführt wird. Insbesondere kleine und mittelgroße Betriebe beklagen eine Verzerrung des Wettbewerbs zugunsten von Großbetrieben und Handelsketten.

Abschlussberichte der Forschungsprojekte